Kennenlernen 2013 traf ich, Ari als junge Studentin, auf Romario, ein sehr talentiertes Springpferd. Meine Mutter sah ihn im alten Stall, verliebte sich und rief mich sofort an: „Er sucht eine Reitbeteiligung Ariane!“. Ich war jedoch begnadete Dressurreiterin, hatte vorm Springen eher riesige Angst.

Romo ließ zu dieser Zeit fast niemanden mehr auf seinen Rücken, war unglaublich glotzig, stieg bei zu viel Druck, raste auf die Sprünge los wie ein Irrer und knickte immer wieder in der Hüfte ein. Seitens seines alten Besitzers war kein Verständnis für sein Verhalten übrig. Nach langem Zureden bewarb ich mich auf die Reitbeteiligung und bekam sie. Unser Probereiten lief trotz Springtraining gut ab – ich fühlte mich sofort sicher auf ihm. So war es bei uns Liebe auf den zweiten Blick und ich entwickelte sogar Spaß am Springen. Daher kauften wir ihn einige Zeit später, vermeintlich gesund.

Nachdem wir seine Probleme durch viel Arbeit halbswegs in den Griff bekommen hatten, traf ich die Entscheidung uns endlich zu meinem heiß ersehnten Abzeichenlehrgang anzumelden.

Erblindung März 2016

Knapp 14 Tage vorher kam ich kam auf die Wiese, ein Bauchgefühl führte mich morgens vor meinem Praktikum dort hin. Angekommen sah ich ihn nur noch panisch durch mehrere Zäune & Kuhdrähte rennen und sich dabei überschlagen. Als ich ihn endlich von der Landstrasse wieder einsammeln konnte folgte der Schock: die Augen waren komplett trüb, tränten und er kniff sie zusammen. Sofort fuhren wir in die Klinik – Diagnose: beidseitige Periodische Augenentzündung (PA) mit Nachweis von Leptospiren, Herpes Typ V und Candida. Einseitig blind – ein Auge mit 30 % Sehkraft- Schlimmer hätte es kaum kommen können. Doch was nun?!

Romo nahm uns die schwere Entscheidung „Lassen wir ihn Leben ?“ ab, indem er schon in der ersten Klinikwoche lernte sich zu orientieren und mit mir brav mitten durch Berlin spazieren ging. Er war voller Lebensfreude, sodass wir gemeinsam mit der behandelnden Ärztin entschieden es zu versuchen.

2016-2017 Doch der Weg war langwierig, wir entschieden uns dazu, seine Augen (2 Jahre erfolgreich) zu erhalten, behandelten ihn mit zunächst mit Human- und anschließend mit Alternativmedizin. Seine Augen schrumpfen zwar, waren aber 1,5 Jahren schubfrei. In dieser Zeit konnten wir sein Immunsystem aufbauen, sodass er fit für eine mögliche OP wurde. Zusätzlich mussten wir nach der Erblindung eine komplett neue Vertrauensbasis schaffen und alles neu zusammen lernen. Grade im ersten Jahr brachte mich Romo an meine Grenzen und zum Zweifeln. Mir wurde die Betreuung eines Blinden zu viel und ich hatte das Gefühl, Romo würde sich niemals vollständig auf mich verlassen. Er geriet immer wieder in Panik, stieg, rannte mich um… Am schlimmsten Punkt des Jahres 2016 brach er mir, in voller Panik auf mich zu springend, meinen Voderfuß….

Ich gab ihn nicht auf. Wir wechselten den Stall und stellten Romo gemeinsam mit Damiano – meinem Dressurpferd – zusammen und kämpften uns Woche für Woche mehr zusammen. Ich begann auf Social Media zu bloggen, denn bis dahin gab es nicht viele Erfahrungsberichte über blinde Pferde und ich wollte unbedingt anderen Menschen Mut machen sowie über die periodische Augenentzündung aufklären.

Von nun an war ich täglich im Stall, machte sehr viel Bodenarbeit, Clicker- und Longentraining. Wir arbeiteten daran, sein Gleichgewicht wieder herzustellen, ihn selbstbewusst werden zu lassen. Durch die ganze gemeinsame Zeit gewann ich sein Vertrauen und wir machten erste große Fortschritte: Bodenarbeit, Reiten, erste Spaziergänge – so langsam bekam ich Hoffnung, das er eines Tages ein normales Leben führen wurde. Die Panikattacken blieben, doch sie wurden deutlich weniger und ich lernte sie immer besser zu handhaben.

2018 – Entfernung des ersten (blinden) Auges

Im Mai 2018 mussten wir in Folge eines sehr schlimmen Schubes der periodischen Augenentzündung, das rechte Auge entfernen lassen. Der Augeninnendruck war innerhalb kürzester Zeit so stark angestiegen, dass Romo starke Schmerzen erlitt. Wir fuhren mit Nallaweg – einem sehr empfehlenswerten Transportunternehmen aus Berlin – in die Tierklinik Düppel. Opa Dami begleitete uns als Blindenbegleitpferd dorthin. Die OP wurde ambulant im Stand ausgeführt, das heißt wir konnten am selben Abend mit beiden Pferden zurück fahren. Ich schlief die kommenden Nächte im Stall neben den Pferden und versorgte die Wunde.

2018 – Umzug in den eigenen großen Offenstall

Weiterhin erreichte ich 2018 meine eigene persönliche Grenze. Romo hatte mein Leben auf den Kopf gestellt. Mein Jurastudium 1-2 Nebenjobs, Vollzeitpflege von Romo (120km Fahrt am Tag) – all das hatte ich zwei Jahre gestemmt. Die Kraft reichte nicht mehr aus, mein Körper resignierte. Im September 2018 wechselten wir daher den Stall erneut und zogen mit beiden Pferden in den eigenen Stall nach Niedersachsen. 300km entfernt von meinem zu Hause in Berlin, zogen meine Mutter und die Pferde zu meinen Großeltern auf einen Bauerhof. Doch zunächst wurde die Umzugsphase anstrengender als gedacht, ich fuhr zu Beginn in der Woche mehrfach von Berlin – Niedersachsen um gleichzeitig mein Studium weiter zu stemmen und Romo optimal einzugewöhnen.

2019 – Entfernung des zweiten (blinden) Auges

Im Mai 2019 musste Romo leider auch das noch verbliebene Auge entfernt werden. Ein plötzlich auftretender starker Entzündungsschub ließ den Augeninnendruck zu stark ansteigen. Wir fuhren erneut mit demTransportunternehmen Nallaweg in die Klinik Großmoor, welche extra aus Berlin für uns anreisten, und waren dort ambulant bestens versorgt. Auch im Mai 2019 schlief ich im Stall bei den Jungs und die Wundheilung verlief zum Glück ohne Probleme.

2019 – es geht bergauf

3 Jahre nach der Erblindung hatte ich nun das Gefühl angekommen zu sein. Romo’s Sinne wurden deutlich besser, er konnte sich auf immer größeren Stücken orientieren und lernte eigenständig zu leben. Ich hatte es geschafft, ihm sein Selbstvertrauen zurück zu geben und musste lernen loszulassen. Er verbrachte immer mehr Zeit eigenständig auf der Wiese (die wir blindunsicher eingezäunt haben).

Luuk – ein 2,5 Jähriger Konik wurde in unsere kleine Herde eingegliedert und sorgte für noch mehr Normalität. Er strahlt eine enorme Ruhe aus und wuchs langsam in seine Rolle als zweiter Blindenbegleiter hinein. Mit Luuk schafften wir es erstmals einen Silvesterabend ruhig – ohne Panik aufgrund der ganzen lauten Geräusche – zu verbringen.

2020 – Ein Jahr voller Wandel

Im Februar 2020 hatte ich das Gefühl das wir bereit sind einen neuen Schritt zu machen und Romo wieder eine Aufgabe im Leben zu geben. Er hatte von Beginn an einen enormen Laufdrang und wollte täglich gearbeitet werden. Longe und Bodenarbeit reichte ihm lange nicht mehr aus, gleichzeitig kam ich beim Reiten nicht mehr über den Punkt hinweg das er immer noch in die Luft stieg. Auf meinem sehenden Pferd konnte ich dieses Problem lächelnd lösen, blind löste es in mir Angst aus.

Ich fand eine Trainerin der klassischen Dressur nach Manuel Jorge de Oliveira, einen Weg den ich bereits mit Dami 8 Jahre zuvor in Berlin bei meiner Trainerin Nadja Krumbiegel gegangen bin. Wir begannen mit Romo zu arbeiten und ich lernte mich wieder weg vom „Blindenbetreuer“ hin zum „Reiter“ zu entwickeln. Wir machten innerhalb weniger Monate so große Fortschritte, das ich mich erneut in diesem Weg bestätigt fühlte. Doch dieses Mal fühlte ich, das für mich nicht nur ein reitersicher Wandel anstand, sondern auch ein menschlicher. Das könnt ihr auf der Über Mich Seite nachlesen.

Romo wurde beweglicher im Becken, seine durch die OP entstandene Genickbeule verschwand und ließ ihn endlich im Genick wieder beweglich werden. Er trägt seinen Kopf kaum noch schief und bekam ein tolles Körpergefühl. Wir bekamen das Steigen innerhalb kurzer Zeit in den Griff. Außerdem wurde der Umgang miteinander noch einmal viel leichter und klarer. Ich bin dort angekommen, wo Romo und ich uns wohlfühlen.

Jetzt besuche ich ihn alle 10 Tage – pendle zwischen Berlin und Niedersachsen und bin froh, das er ein so unglaublich schönes zu Hause gefunden hat zu dem ich hoffentlich eines Tages ebenfalls ziehen kann.