Geh einmal in dich und frage dich: Würdest du (blind) jemandem sofort vertrauen ? Ihm einfach die Hand reichen und sich ins Unbekannte führen lassen ?

Falls ja, wem würdest du die Hand reichen. Einem Fremden, einem Freund oder deiner Familie?

Auch Romo‘s Antwort ist hier ein klares: Nein! Ich gehe nicht mit jedem mit.

Vertrauen ist ein kleines Wort mit großer Bedeutung. Es ist die wichtigste Grundlage einer jeder Partner-& Freundschaft. 
Ohne Vertrauen gibt es keine Sicherheit, kein Loslassen, kein Miteinander. Und das schwierigste am Vertrauen: es muss auf Gegenseitigkeit beruhen. Nur ein kleines Zögern reicht, um Vertrauen verschwinden zu lassen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass man jemanden nur bedenkenlos folgen möchte, wenn dieser Sicherheit und Ruhe ausstrahlt – er soll eben wissen was er tut. Mutig voran schreiten ohne Angst zu haben oder zu zögern.

Doch wie baut man Vertrauen auf?
Mit Zeit.

Es gibt kein besseres Heilmittel als Zeit und Geduld. Ich war jeden Tag bei Romo, wir haben mehrere Stunden miteinander verbracht. Nicht nur mit Training, sondern einfach indem ich mich zu ihm gesetzt habe. Beim Grasen, beim Fressen, beim Schlafen.. lerne deinen Partner kennen und beobachte ihn. Ich bin mit ihm 3 Jahre durch Hölle und Himmel gegangen und durch jedes neue Abenteuer, was wir überstanden haben zu einem Herdenmitglied herangewachsen. In der Pferdewelt bilden Herdenmitglieder eine Familie, man muss sich gegenseitig aufeinander verlassen können.
Familie vertraut man, bedenkenlos, auch blind.
Das ist der Schlüssel zum Glück.

Vertraue ich Romo genauso wie vor der Erblindung?

Zugegeben, eine der interessantesten Fragen die mir von euch gestellt wurden. Leicht könnte ich sie mit Ja beantworten, denn heute fühle ich so, doch ist das die Wahrheit?

Nein, denn ich hatte zwischendurch echt sehr große Angst vor Romo. Er war anfangs überhaupt nicht koordiniert im Dunkeln, lief wenn er panisch war oder sich erschreckte immer auf mich zu, stieg in die Luft obwohl ich daneben oder darunter stand. Viele Verletzungen führten dazu, das meine Angst blieb und im Alltag ein stetiger Begleiter wurde. Ich schaffte es nicht, die Vergangenheit los zu lassen.
Angst ist keine gute Grundlage für ein grundlegendes Vertrauen. Schließlich ist einer meiner Leitsätze:

„Lasse deine Liebe und dein Vertrauen größer sein als deine Angst.“

Als mir bewusst wurde, das Pferde im Hier und Jetzt leben und meine Arbeit erste Früchte trug, begann ich auf den langen Autofahrten viel über mich nach zu denken. Romo schaffte es auf einmal die Vergangenheit ruhen zu lassen, lernte schneller und begann mir Vertrauen zu schenken.

Ist es denn fair von ihm Vertrauen zu verlangen, wenn ich es selbst nicht habe?

Diese eine Frage änderte für mich alles. Ich begann gegen meine Angst anzukämpfen und jede Situation neu anzugehen. Oft musste ich stärker tun, als ich es war und als ich abends nach Hause fuhr kullerten still die Tränen. Doch die Herausforderungen die vor uns lagen haben wir gemeistert.

Nein, ich vertraue ihm nicht GENAUSO, ich vertraue ihm mehr & auf einer ganz anderen, tieferen Ebene.