Wie verschaffe ich Romo einen Überblick über den Zaun als Grenze?

Zu Beginn stand Romo in einer kleinen Paddockbox mit festem Zaun. Einmal am Tag ging er mit mir gemeinsam auf eine kleine Wiese und den benachbarten Reitplatz. Als wir dieses Areal sicher meistern konnten, zog Romo mit Dami in einen kleinen Offenstall. Dort musste er lernen, durch kleine Tore zu gehen.

Tage, Wochen, Stunden vergingen, in denen unser Alltag daraus bestand, den Zaun abzulaufen, gegen den Romo immer wieder aneckte.

Wenn ihr das Bild seht, werdet ihr denken: gut sie läuft jetzt einfach und klopft immer wieder an den Zaun. Ja, so einfach hat sich das meine Mama auch vorgestellt beim Zusehen.

Als sie es zum ersten Mal in diesem Jahr selbst mit Romo machen musste, um ihn auf die neue Wiese stellen zu können, rief sie mich entsetzt an: „Ari, was mache ich falsch? Der hört mir ja gar nicht zu?! Jetzt rennt er einfach dagegen.“

Ich musste schmunzeln. Kein Außenstehender mag sofort glauben, wie schwierig diese wirklich einfach wirkende Aufgabe ist.

Wenn ich mit Romo den Zaun abgehe, muss ich seine ganze Konzentration auf meiner Seite haben. Ich mache bewusste, gleichlange Schritte. Ich bleibe ganz ruhig, halte ihn immer wieder an. Ich stelle mir innerlich den Zaun vor und versuche durch viele Wiederholungen quasi eine Landkarte in Romos Kopf einzuprägen. Das akustische Signal durch die Gerte setze ich gezielt so, dass Romo die Dimension des Zaunes wahrnehmen kann. Wir unterhalten uns quasi dabei die ganze Zeit mit unserer Körperenergie.

Wer uns dabei einmal beobachtet, wird feststellen, dass wir dann ganz in einer Welt sind, hoch konzentriert. Das kommt einfach daher, dass diese Aufgabe, so banal sie auch sein mag, für Romo von ungemeiner Wichtigkeit ist. Sie kann im entscheidenden Fall ihn vor einem schlimmen Unfall bewahren. Umso größer die Wiese, umso größer die Herausforderung.

Diese Zaunübungen sitzen nicht nach einem Versuch, es geht hier um etliche (!) Wiederholungen, bis sich der Bereich bei Romo wie in einer Landkarte eingeprägt hat.

Spüre ich, dass er den Zaun verstanden hat, mache ich ihn vom Seil ab. Ab diesem Zeitpunkt bleibe ich bei ihm und gebe ihm durch meine Anwesenheit Sicherheit. Ich musste lernen loszulassen, ihn rennen zu lassen. Er musste lernen, mir zuzuhören. Wenn ich „Zaun“ rufte, bleibt er aus der Bewegung sofort stehen. Romo hat gelernt, dass ich ihn vor dem Crash bewahren und er mir vertrauen kann, allerdings auch nur durch viele schmerzliche Erfahrungen und auch einige Berührungen mit dem Zaun.

Die Gerte dient uns dabei als Blindenstock. Abgeschaut habe ich mir das Prinzip von blinden Menschen. Ein blinder oder seheingeschränkter Mensch nutzt den Stock um sich im Alltag sicher durch die Gegend zu bewegen. Sie tasten den Boden, die Umgebung ab und erkennen wo sich Gegenstände befinden. Ebenfalls benutzen sie gerne akustische Signale (z.B. mit der Zunge) um einen Raum in seiner Größe oder einen Gegenstand mit seiner Entfernung abschätzen zu können. Dies habe ich anfangs mit einem Click verbunden. Heutzutage brauchen wir beides nur noch ganz selten – Romo ist zum Glück eigenständig und selbstsicher genug geworden.