Besonders viel lerne ich in letzter Zeit durch die Beobachtung von unbefangenen Reitanfängern. So schwirrt mir seit den stundenlangen Gesprächen mit meinen Schülern eine Frage durch den Kopf:
„Wer hat uns eigentlich gelehrt aktiv an den Zügeln zu ziehen?!“
Setzt man einen, vom Pferdefieber noch unbefleckten, Menschen auf ein ihm unbekanntes Pferd, würde dieser niemals die Zügel aufnehmen oder gar nach hinten ziehen. Im Gegenteil sogar, die meisten fragen respektvoll und freundlich beim Pferd an, ob es los gehen mag und freuen sich danach über jeden kleinen Schritt auf dessen Rücken.
Setzt man hingegen einen „fortgeschrittenen“ Reiter auf ein neues Pferd, wird gleich die Hand anstehen gelassen und „Druck gemacht“, damit das Pferd erst mal an den Zügel und unter den Schwerpunkt tritt. (Dabei gibt es nachweislich keine Kraft, die das was man vorne zieht, auch hinten wieder raus zu reiten könnte….)
Umso mehr ich versuche das Reiten zu verstehen, umso mehr merke ich, wie weit wir uns von anderen beeinflussen und irritieren lassen. Anstatt bei diesem Anfangsgefühl zu bleiben und auf friedlicher Basis weiter zu arbeiten, glauben wir Möchtegernreitlehrern und Supertrainern und setzen immer mehr Kraft und leider auch Gewalt ein. Der Weg zum ersten Turnier muss möglichst schnell gehen und die anderen im Stall sollen sehen „wie gut man ist“. Ziehen und Zerren scheint der allgemeine Lösungsansatz zu sein bei allerhand Problemen wie: Biegen, Stellen und am Zügel laufen. Funktioniert das nicht, werden Hilfsmittel wie Hilfszügel, Sporen und Gerte eingesetzt und der nächste Trainer geholt.
Doch wo bleibt das Gefühl?!
Wo haben wir es verloren und wer hilft uns es zurück zu finden?!
Wo haben wir es verloren und wer hilft uns es zurück zu finden?!
Wie ich immer wieder feststellen muss, gibt es nur wenige Menschen die überhaupt an diesem Punkt des Denkens angekommen sind und noch weniger Reitlehrer, die auf den Erfolg bei Turnieren verzichten und lieber die Grundlagen lehren und ihre Energie dahingehend einsetzen, dem Schüler ein Gefühl für sein Tier zu vermitteln. Alles was man dafür tun muss, ist bereit sein noch einmal ganz von vorne anzufangen.
Diesen schwierigeren, langwierigen Weg durfte ich mit meiner Trainerin (heutigen Ausbilderin) Nadja Krumbiegel beginnen. Dabei habe ich mich Ewigkeiten von ihr an die Longe nehmen lassen, um überhaupt zu lernen, wie beweglich meine Hüfte sein kann und das meine Hände unabhängig vom Sitz getragen werden können. Denn auch ich habe jahrelang mit viel zu viel Kraft gearbeitet, weil mir kein anderer, für uns passender Weg zur Leichtigkeit gezeigt wurde. Wir haben weit über ein Jahr alle meine Grundlagen im Schritt neu aufgearbeitet und trotzdem habe weiterhin enorm viel zu lernen. Doch eins möchte ich nie wieder missen: das zurück erlangte Gefühl!
Glaubt daher nicht immer alles, was die Trainer euch erzählen, sondern fangt an jeden einzelnen Schritt zu hinterfragen, bis das Miteinander für euch einen Sinn ergibt
Reiten sollte von Leichtigkeit geprägt sein und nicht von einem möglichst hohen Kraftaufwand. Wie ich mit Anfängern anfange?! Ganz einfach – ohne Zügel. Dann gibt es auch kein Ziehen und kein Zerren.