Ein Thema über das weder gern geredet, noch gesprochen wird. Viele von uns verknüpfen es automatisch mit etwas negativen, einem (körpereigenen) Versagen.
Angst ist dabei vor allem ein Gefühl, das sich in unserem Körper aufgrund verschiedenster Auslöser ausbreiten kann (bei uns Reitern oft bei z.B. bedrohlichen Situationen). Sie kann mit körperlichen Symptomen wie Herzrasen, Schwitzen, Zittern, Atemnot, Übelkeit etc. einhergehen und eine Zeit lang andauern. Diese Symptome sind übrigens bei Tieren genauso vorzufinden wie bei uns Menschen.
Ohne euch mit wissenschaftlichen Fakten zu überschütten, möchte ich euch in den nächsten Tagen aus meinen Erfahrungen mit Romo berichten. Einem erblindeten Steiger, der nach der Erblindung viele Panikattacken erlitt. Ebenso möchte ich offenen Herzens meine Erfahrungen teilen aus der Zeit, als wir beide Angst hatten. Vor dem anderen, vor uns selbst und manchmal auch vor der Welt da draußen.
Angst beginnt im Kopf
Ich war schon immer eher vorsichtig unterwegs und habe noch nie zu der Kategorie übermütig gehört, dennoch hatte ich vor dem sehenden, steigenden Romo, den wir damals bewusst so übernommen haben, keine Angst. Ich habe mich voll und ganz auf meine Fähigkeiten verlassen, gut genug im Sattel zu sitzen und jedes in die Luft gehen unter mir mit Humor genommen. Das hat dazu geführt, dass wir die Situationen immer gut lösen konnten und nie etwas passiert ist.
Als Romo erblindete, war an Reiten vorerst nicht zu denken, da wir nicht einmal sorgenfrei zum Reitplatz kamen. Ich musste mich also auf unsicheres Gebiet bewegen. Bodenarbeit war etwas, was ich bis dahin nicht intensiv genug gelernt hatte. Ich konnte die Basics des Horsemanship, hatte aber damals immer größere Lust auf’s Reiten. 2016 stieg Romo, raste in seiner Dunkelheit unkontrolliert auf mich zu, schubste mich um. Die ersten Unfälle passierten und die Angst begann zu wachsen. Ich hatte ein blaues Auge, als ich in den Zaun geflogen bin, ein offenes Schienbein als er mich an die Steinwand drückte, einen gebrochenen Fuß, als ich nicht schnell genug von der Stelle kam….
Anfangs blieb meine Angst für mich innerlich unbemerkt bis zu dem Tag, als mich jemand im Versuch „Halt-Komm“ am Boden zu absolvieren filmte. Ich sah mir das Video an und stellte fest: Mensch Ari, so wie du dich dort bewegst ist das kein Wunder das die Situation so bleibt, du hast Angst. Ich sah ein Mädchen, was sich jedes Mal erschrak als Romo nur zuckte. Ein Mädchen, was sich kaum gehend unsicher umschaute beim Führen, um sicher zu gehen ob das Pferd ihr folgte. In der Situation gefangen suchte ich nach Lösungen, denn damals ließ Romo leider auch nicht meine Mutter an sich heran. Er hatte völlig dicht gemacht.
Aus meiner Erfahrung aus dem Sattel wusste ich, dass das Ziel sein muss, sicherer zu werden: doch wie sollten wir da alleine raus kommen?!
Der Kampf gegen die Angst
Ausgestattet mit Handschuhen und einem dicken Führseil, so habt ihr uns eine Ewigkeit verfolgt. Teilweise hatte ich zum Spazieren gehen sogar zwei Longen und zwei Halfter in der Hand und warum? Zur Sicherheit!
Es ist mir ehrlich gesagt egal, was jemand über mich in der Situation gedacht hat, aber mir hat es geholfen zunächst die Mittel aufzustocken, die ich zur Verfügung hatte, um mich selbst sicherer zu fühlen. Am Ende war mir egal, ob sie auch die nötige Sicherheit mit sich bringen.
Dennoch war mir klar: das ist NICHT alleine die Lösung!
Doch wo fängt man, wenn man innerlich wie erstarrt ist und die Situation so ganz und gar nicht selbst bestimmen kann. Wie komme ich aus diesem Teufelskreis heraus? Spring doch einfach einmal über deinen Schatten Ari – das habe ich ganz oft gedacht. Gleichzeitig wusste ich aber, das ist zwar einfach gesagt, dennoch aktuell unmöglich.
Schritt 1 war daher meine eigene Vermeidungsstrategie.
Diese beinhaltete alle Situationen zu vermieden, bei denen ich bereits aus Erfahrung wusste, Romo würde wieder steigen oder durchdrehen und ich die Kontrolle verlieren. Wir vermieden Stress, Männerstimmen, Spaziergänge, Ausflüge.. blieben einfach auf vertrautem Boden und sammelten dort Sicherheit. Schritt 1 bedeutete für mich nicht: Ich werde NIE spazieren gehen, sondern lediglich: wir VERTAGEN das Problem bis wir sicher sind. Währenddessen übten wir auf dem Platz unermüdlich die Kommandos: Halt – Warte – Komm.
Angst im Sattel – Steigen:
Neben der Arbeit am Boden, bei der ich die Angst mittlerweile gut im Griff habe, begleitet sie mich ab und an im Sattel. Angst entsteht oft durch traumatische Erlebnisse, Misserfolge und nicht ausreichendem Vertrauen in unser Können oder das Pferd.Romo haben wir sehend bereits steigend und buckeln gekauft, dennoch war dies eine bewusste Entscheidung. Ich war damals voll im Training, konnte die Aussetzer gut sitzen und mit „Humor“ nehmen, was in einer solchen Situation Gold wert ist.
Leider ist mir dieser Humor im Laufe der Blindheit auf Romo bezogen verloren gegangen. Ich grübel zu viel über „was alles passieren könnte aufgrund der Blindheit“ was mir bei anderen Pferden nie in den Sinn kam. Viele der üblichen Tricks sind nicht mehr möglich, weil ich Romo leicht aus dem Gleichgewicht bringen würde. .
Romo stieg zwischen zeitlich immer höher und teilweise fast gerade in die Luft. Obwohl mir nie etwas passiert ist (*klopfaufholz*), hat sich in mir mental Angst ausgebreitet, die mich teilweise wirklich lähmt und nicht klar denken lässt.
Im nächsten Beitrag möchte ich euch darüber berichten, wie ich auf die Situation Steigen reagiere und welche Möglichkeiten bestehen aus solch einer Situation heraus zu kommen, denn genau diesen Beitrag haben sich viele von euch gewünscht.
Foto: aktuell vom heutigen Reitversuch im Matsch, mit einem freudigen Romo.. Natürlich hat man nie die Kamera in der Hand, wenn es los geht, daher ist das hier eine der seltenen Aufnahmen.
Steigen in einer ungewollten Situation gefilmt zu bekommen, ist gar nicht so leicht. Wird es richtig panisch bei uns, eilt mir meine Mutter direkt zur Hilfe und legt das Handy weg (was auch gut so ist). Auch gestern hat sie den Anfang gefilmt, dann die Kamera laufend in ihre Hose gesteckt und ist schnell zu mir gelaufen.
Romo steigt oft, wenn ihm etwas nicht passt: „Böckchen“ nenne ich das oder aber wenn er Angst/Panik hat.
Das Pferd geht wie hier nur leicht hoch? Super – denn wichtig ist das man genau diese Chance nutzt. Beim Steigen entzieht sich das Pferd den Vorwärts treibenden Hilfen. Es gilt also so schnell es geht ins Vorwärts zu kommen (im Idealfall galoppiere ich Romo an und reite zwei große Runden im Galopp aussenrum). Vorteil: wenn man einmal die Vorwärts-Bewegung drin hat, ist weder Buckeln noch Steigen möglich, zudem hat man das Pferd nicht aus der Balance gebracht und kommt so in unnötig schlimme Gefahr mit dem Pferd zu stürzen.
Generell gilt zu hinterfragen: warum steigt mein Pferd? Körperliche Probleme, ein nicht korrekt sitzender Sattel oder eine entwickelte Unart wie bei Romo? Außerdem: sobald es höher als dieses hier gezeigte Androhen geht – sucht euch professionelle Hilfe. Das kann leider sehr schnell nach hinten los gehen und lebensgefährlich werden (leider musste ich das einmal mit ansehen).